Stachel und Stechen

 


Abwehr, Verteidigung

Das Leben von Insekten ist gefährlich.

Sie werden von anderen Insekten und ihren Erzfeinden, den Vögeln, angegriffen. Bei Gefahr laufen oder fliegen die meisten Insekten fort, um sich in Sicherheit zu bringen.

Im Laufe der Evolution haben Insekten wirksame Schutzmechanismen gegen das Gefressenwerden durch andere Tiere entwickelt haben. Viele sind durch ihr Aussehen in ihrer Umwelt fast unsichtbar. Doch es gibt noch andere Möglichkeiten: Schießen mit Qualm und Gestank, Stechen, Beißen, Treten oder scheußlicher Geschmack.

Die meisten Tiere meiden nach einer unangenehmen Erfahrung mit einem stachelbewehrten, giftigen oder übel schmeckenden Insekt künftig all jene Insekten, die diesem gleichen. Daraus ziehen einige völlig harmlose Arten ihren Nutzen: Sie imitieren gefährliche oder ungenießbare Insekten in Aussehen und Verhalten, sodass sie von Feinden gemieden werden (Mimikry). In manchen Fällen ist diese Mimikry so hervorragend, dass man nicht weiß, welches Insekt das „Original" und welches die „Fälschung" ist. Doch auch Stacheln und Dornen an Körper und Beinen schrecken Feinde ab; plötzlich aufleuchtende helle Farbzonen erschrecken oder überraschen den Feind zumindest.

 

Jagd

Aber nicht nur zur Abwehr und Verteidigung wird der Stechapparat eingesetzt.

Wehrhafte Beute kann mit einem oder mehreren Stichen getötet werden. Auch haben sich besonders im Wespenreich Spezialisten herauskristallisiert, die mit einem Stich ihre Beute lähmen (paralysieren) können, die so später als lebender Vorratsspeicher dem Nachwuchs als Nahrung dienen.

 


Stachel

 

Die Fähigkeit, Gift als Schutz- und Verteidigungsmittel im Kampf ums Dasein einzusetzen, teilen die stachelbewehrten Hautflügler mit zahlreichen anderen Tieren. Doch können sich nur die Weibchen der Bienen, Hummeln, Wespen und Hornissen dieser wirksamen Waffe bedienen - das starke Geschlecht ist dagegen völlig wehrlos - da sich der Giftstachel phylogenetisch aus dem Legebohrer entwickelt hat.

Die Länge des Stachels beträgt bei der Honigbiene ca. 2,5 mm, bei den Wespen ca. 2,6 mm und bei den Hornissen ca. 3,7 mm.

 


Abwehr und Verteidigung

 

Wespenstich

 

Beim Stich dringen Stechborsten und Stachelrinne in den Körper ein, können aber bei Hummeln, Wespen und Hornissen wieder herausgezogen werden, während bei der Honigbiene der gesamte Stechapparat an einer bestimmten Stelle abreißt und in der Haut zurückbleibt.

 

Honigbienen zeigen in Stocknähe stets eine, je nach Rasse mehr oder weniger stark ausgeprägte Verteidigungsbereitschaft, während Hummeln, Wespen und Hornissen sich nur dann ihres Stachels bedienen, wenn sie festgehalten, gequetscht oder wie auch immer, zu fest berührt werden. Auch massive Störungen am Nest werden mit dem Stachel verteidigt.

 

Verstochen" wird nicht nur fast dasselbe Gift, sondern pro Stich auch eine ähnliche Menge (etwa 0,1 mg).

Bei der Honigbiene werden 50-100 Mikrogramm Gifteiweiß abgegeben, bei den Wespen und Hornissen, die aber wiederholt zustechen können, sind es sogar nur 2-10 Mikrogramm.

 

Das Gift der Hornisse setzt sich aus mehreren Stoffen zusammen. In der Hauptsache sind es Acetylcholin, Serotonin und Adrenalin.

Acetylcholin ist ein Bestandteil der Essigsäure. Es verursacht eine Erregung zwischen Nerven und Muskeln, und steigert so noch zusätzlich den Schmerzreiz. Also nicht der längere Stachel der Hornisse, sondern dieses Acetylcholin, das weder im Bienengift noch im Hummel- oder Wespengift vorkommt, bewirkt bei der von einer Hornisse gestochenen Person ein höheres Schmerzempfinden.

Auch Histamine und Dopamin wurden im Hornissengift analysiert.

 

 

 

Einstich und Injektion

Nach der Giftinjektion...

...kann der Stachel von Wespen und Hummeln wieder herausgezogen werden.


Jagd

 

 

 

Lebende Vorräte als Nahrung für den Nachwuchs

 

Oft jagen Insekten, um ihre Jungen zu versorgen.

Mit einem geschickten Stich lähmt diese Knotenwespe mit dem Gift ihre Beute. Statt den Rüsselkäfer zu fressen, trägt ihn diese solitär lebende Wespe in ihr Nest im Boden. Wenn dieses mit Rüsselkäfern gefüllt ist, legt sie Eier hinein und die Larven ernähren sich von den gelähmten Käfern.

Viele Grabwespen sammeln auf diese Weise Nahrung, die sich je nach Wespenart auf unterschiedliche Beutetiere, von Käfern, über verschiedene Raupenarten, bis hin zu Taranteln, spezialisiert haben. Kleine Insekten werden durch die Luft transportiert, größere Beutetiere schleifen sie oft über den Boden.

 

 

 

Unsere heimischen, sozialen Wespenarten benutzen ihren Stachel zum Töten von besonders wehrhaften Beuteinsekten. Diese werden noch vor Ort zerteilt und als "Fleischklößchen", zur Fütterung der Larven, ins Nest transportiert. 


 

Der Stachelapparat

 

Ein kompliziert gebauter Stachelapparat bildet den einzigen Anhang des Hinterleibes der Königin und der Arbeiterin. Der Drohn besitzt keinen Stachel.
Die Hauptteile des Stachelapparates sind die beiden beweglichen Stechborsten, die in der Stachelrinne liegen und von der Stachelscheide umgeben werden. In die erweiterte Stachelrinne, dem Stachelrinnenkolben, mündet die Giftblase, der Aufbewahrungsort für das von den Giftdrüsen produzierte Gift. Die Stechborsten sind bei der Arbeiterin der Biene mit zehn kleinen Widerhaken versehen, während die Stechborsten der Bienenkönigin nur drei kleine Widerhaken besitzt. Kräftige Muskeln bewirken, dass beim Stich die beiden Stechborsten abwechselnd vorgeschoben werden. Sticht die Biene in eine elastische Haut, so verhindern die Widerhaken das Herausziehen des Stachels, so dass sich die Biene beim Versuch den gesamten Stachelapparat aus dem Hinterleib herausreist und sterben muss. Der Stachel bohrt sich auch nach der Abtrennung weiter in sein Opfer hinein, da der mit ausgerissene Nervenknoten weiterhin Impulse sendet. Sticht die Biene einen Artgenossen oder ein anderes Insekt, so kann sie den Stachel wieder unbeschadet herausziehen.

Im Gegensatz zu den Wespen leben die Bienen nicht räuberisch. Sie setzen ihr Gift nur zur Selbstverteidigung ein.

 


 

Die gezeigten, mikroskopischen Aufnahmen stammen, mit freundlicher Genehmigung, von Horst-Dieter Döricht © 2014  -   www.hdds-mikrowelten.de

 


 

Anatomie des Stachelapparates einer Hornisse

 

Der ausgefahrene Stachel einer Hornisse unter dem Mikroskop vergrößert. Hier wurde an der Spitze des Stachels eine Verletzung festgestellt, die wohl schon älter war. Die Stachelspitze ist abgebrochen und beschädigt. Ein Teil des Stachels ragt deshalb dauerhaft heraus und lässt sich nicht mehr in die Stachelscheide einfahren.

 

Einblick auf den gesamten Stachelapparat.

 Hierzu wurde der Hinterleib einer Hornisse frei gelegt.

 

Der gesamte Stachelapparat ist im Hinterleib der Wespe untergebracht. Der Stachel selbst befindet sich geschützt in einer Stachelscheide.

Links oben kann man die beiden Giftblasen erkennen, in denen separat die alkalischen und die säurehaltigen Giftbestandteile gespeichert sind. Erst beim Stich werden die Inhalte beider Blasen vermischt und in die Stachelrinne gedrückt.

Der frei gelegte Stachel., die Stechborste. Die Stachelspitze mit einem ovalen Loch, dem Austritt der Stachelrinne mit dem Gift.

 

 

 

 

Die herauspräparierten Einzelteile, aus denen sich der "Stechapparat" einer Hornisse zusammensetzt:
 

 

Stachel (Stechborste)

 

Frei gelegte Stachelrinne (Innenstachel) (unten)

mit der Stachelscheide (oben)

 

Feste Stachelbestandteile.

Der Stachel entspringt am Anfang einem "V-förmigen Bogen"

Kompletter Stachelapparat:

- Stachelscheide (oben)

- Stechborste (Stachel) (mitte)

- Stachelrinne (Giftleitung) (unten)

 

Im großen, sichtbaren Stachel - der Stechborste - , befindet sich ein Hohlraum, indem ein dünnes Rohr - die Stachelrinne - verläuft, Durch die Stachelrinne wird bei einem Stich das Gift gedrückt. Während der Präparation wurde die Stachelrinne aus dem großen Stachel gezogen. Die Stachelrinne ist auf dem Bild unten zu erkennen und sieht aus wie ein "Schlauch" Bei einem Stich wird die innen liegende Stachelrinne, durch den großen Stachel (Stechborste) nach vorne geschoben und das Gift wird in den Stichkanal gedrückt. Dabei drückt sich die dünne Stachelrinne noch einmal nach vorne und schaut aus dem großen Stachel heraus. Die Stachelborste hat bei der Hornisse eine Länge von 3,7 Millimeter. Rechnet man zusätzlich noch die Eindringtiefe der Stachelrinne hinzu, so kommt man auf eine Stichtiefe von gut 4 Millimeter.

 

Die Stachelscheide bildet die Schutzhülle für die Stechborste, dem Stachel.

Die Stachelrinne, eine dünne, im Stachel verlaufende Giftleitung, ist zur Stachelspitze hin stabil und fest. In Richtung Giftblasen wird sie immer mehr zu einer hochelastischen Schlauchleitung, die an einem "V-förmigen Bogen" vorbei, zu den Giftblasen führt. Am Ende dieser "Rohrleitung" sitzen die beiden Giftblasen, eingebettet links vor den beiden Bögen.

Die Stachelspitze In der 160fach vergrößerten Stachelrinne kann man eingetrocknetes Gift erkennen, das schon auskristallisiert ist.

 

Funktion und Mechanik des Stechapparates:

 

Am unteren Ende des "V-förmigen" Bogens befindet ein Gelenk, das mit einem starken Muskelstrang verbunden ist.

Dieser Muskelstrang zieht sich bei einem Stich zusammen und lässt so den Stachel - die Stechborste - wie eine Schleuder aus der Stachelscheide schnellen.

Dabei wird das innen liegende Giftrohr - die Stachelrinne - nach vorne, etwas aus dem Stachel heraus geschoben und Druck auf die Giftblasen ausgeübt.

Der flüssige "Giftcocktail" gelangt so, über die Stachelrinne, durch den Stachel hindurch, in die Einstichstichstelle.

 

 


 

Allergie und Erste Hilfe bei Stichen

 

Weder Bienen-, Wespen- oder Hornissengift ist so toxisch, dass Vergiftungen eines gesunden Menschen zu erwarten sind. Erst Hunderte von Wespen- und Bienenstichen können beim Menschen zum Kollaps führen oder Lebensgefahr signalisieren. Auch dem Hornissengift kommt nachweisbar keine besondere Gefährlichkeit zu, wenngleich der Stich subjektiv etwas schmerzhafter als ein Wespenstich empfunden wird. Wenn dennoch von spektakulären Todesfällen nach einzelnen Stichen berichtet wird, liegt eine allergische Überempfindlichkeit des Betroffenen vor. Man schätzt, dass jedoch nur 3-5% der Bevölkerung allergisch auf Insektengifte reagieren. Augenfällige Hinweise darauf sind über die Norm hinausgehende Schwellungen und Rötungen der Einstichstelle, Hautreaktionen fernab der Stichstelle (z. B. über den ganzen Körper verbreitetes Nesselfieber), Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Atem- und Kreislaufbeschwerden. In solchen Fällen, wie auch bei Stichen in den Mund- und Rachenraum, ist sofortige ärztliche Hilfe erforderlich.

 

Nicht selten werden aber nach Stichen auftretende erhebliche Schmerzen und Schwellungen vorschnell als Allergie missdeutet. Quaddelbildungen bis zu zwei Zentimetern und Schwellungen von einigen Zentimetern Durchmesser liegen durchaus noch im Bereich von Normalreaktionen, auch wenn starke Ödembildungen im Gesicht (vor allem in der Augenregion) besonders schmerzvoll und entstellend sind. Die Gefahr bedrohlicher toxischer Reaktionen besteht nach heutigem Wissensstand bei Kindern erst ab ca. 50 Stichen, bei Erwachsenen ab 100-500 Stichen. Was ist zu tun, wenn es trotz aller Vorsicht zu Stichen kommt?

 

Bei Bienenstichen sollte der in der Haut steckende Stachel mit dem Finger weggewischt oder weggeschoben werden.
Beim Greifen des Stachels mit den Fingernägeln oder mit einer Pinzette würde der Inhalt der noch am Stachel befindlichen Giftblase vollends in die Stichwunde gepresst werden.

Stichwunde nicht mit dem Mund aussaugen!
Das gift würde über die Mundschleimhäute schnell in den Körper aufgenommen ...

 

Zur Herabsetzung von Schwellungen und zur Schmerzlinderung haben sich Umschläge mit essigsaurer Tonerde o. Ä., ein Auftragen von kühlenden Salben oder ein Betupfen mit 96%igem Alkohol (Apotheke) sowie ein Bedecken der Einstichstelle mit Eiswürfeln und kalten Kompressen bewährt. Bei nachgewiesener Überempfindlichkeit auf Insektenstiche sollte eine Hyposensibilisierung angestrebt werden, die in etwa 90% der Fälle erfolgreich ist.

 


 

Siehe auch unter Wussten Sie, dass...

 

Was tun nach einem Stich?

 


 

Literatur- und Quellenverzeichnis