Auf der Suche nach Wespen und einer Wespentaille in Costa Rica
Endlich Urlaub und noch dazu ein ganz besonderer!
Wir starteten Anfang April 2013 mit dem Flugzeug nach Costa Rica. Mit im
Gepäck war natürlich die Foto-Ausrüstung. Schließlich wollten wir neben
Menschen und Landschaft viele Tiere fotografieren. Auch Wespen standen
auf unserer "Fotomotivliste" ganz oben.
Und ich hatte noch anderes vor: Die vielen geplanten Naturwanderungen
sollten für einen Abbau des Winterspecks sorgen und mich dem Ziel einer
Wespentaille etwas näher bringen ...
Costa Rica hat große Landesteile unter Naturschutz gestellt.
Es gibt dort eine bemerkenswerte Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren.
Darunter sollte es sicher auch viele Wespenarten geben!
Die Aussicht auf schwarz-gelb gestreifte Fotoobjekte war also sehr gut.
So glaubten wir jedenfalls ...
In Costa Rica angekommen blieben wir zunächst einige Tage bei unseren
costaricanischen Freunden. Sie wohnen im "valle central", der zentralen
Hochebene mit einem ausgeglichenen, gut verträglichen Klima. Dort ist
auch die Besiedlungsdichte am höchsten. Aber zwischen den Häusern und am
Rand der Städte blühte und grünte es überall und dass, obwohl schon sehr
lange Trockenzeit war. Warmes trockenes Wetter und viele grüne und
blühende Pflanzen sowie leckere reife Früchte – also ideale
Lebensbedingungen für Wespen -.
Trotz allem machten wir in den ersten Tagen mit nur wenigen
Insektenarten Bekanntschaft, darunter vor allem Mücken, Mücken und
nochmals Mücken. Bis auf wenige Kakerlaken und einige Käfer, Spinnen und
Schmetterlinge schien die Insektenwelt Costa Ricas nur aus Mücken zu
bestehen. Die einzigen "Flugtiere", die sich am Nektar der zahlreichen
Blüten labten, waren kunterbunte Kolibris und Schmetterlinge.
Es sollten noch einige Urlaubstage ins Land gehen, bis wir unsere erste
Wespenbegegnung hatten.
Im Arenal Volcano National Park sind die Wege gesäumt vom dichten Grün
der Regenwaldvegetation. Aber nicht auf den extravaganten Blüten der
Regenwaldpflanzen entdeckten wir die Wespen, sondern mitten auf einem
staubigen Weg, über den täglich viele hunderte Menschenfüße wandern.
Zunächst hielten wir die Wespen für dicke Fliegen. Von der Form her
sahen sie zumindest so aus - nichts mit schlanker Wespentaille! Aber was
mit dem bloßen Auge oft nicht erkennbar ist, schafft die Technik. Auf
dem Display erschienen in der Vergrößerung hübsch gezeichnete und sehr
fleißige Wespen. Mitten auf einem für sie lebensgefährlichen Weg gingen
diese Wespen eifrig der Tätigkeit nach, die für sie namensgebend war:
... sie gruben...
Noch am selben Tag und im selben Nationalpark entdeckten wir weitere
Wespen.
Auch diese nutzen nicht die schöne Vegetation für ihren Nestbau, sondern
siedelten an einer ebenso unwirtlichen, wenn auch nicht ganz so
gefährlichen Stelle: an der Decke des Toilettenhäuschens, am Ausgang des
Nationalparks. Na ja, vielleicht ist ja der Geruchssinn der
costaricanischen Wespen nicht so gut ausgeprägt wie der unserer
deutschen- und gemeinen Wespen. Denn die riechen im Herbst den leckeren
Pflaumenkuchen schon auf etliche Meter Entfernung ...
Während sich die von uns gefundenen Wespen im Nationalpark Arenal auf
den Nestbau auf viel begangenen Wegen und an geruchsintensiven Gebäuden
beschränkten, wurde die bunte und interessante Pflanzenwelt des
Regenwaldes von einer anderen Insektenart offensichtlich mehr geschätzt.
Nach nun schon 2 Wespenbegegnungen, glaubten wir unseren Blick
ausreichend für costaricanische Wespen geschult zu haben...
Als wir einen Tag später auf dem Blatt eines Strauches ein
schwarz-gelb-gestreiftes Durcheinander erblickten, konnten das
einfach nur Wespen sein!
Also Kamera raus und hingestürmt! Die Überraschung war groß, als wir
statt vor Wespen nun vor einer Heuschreckenkinderstube standen.
Die schwarz-gelben Wespenfarben waren also nur Tarnung.
Und wir, die darauf reingefallen sind, waren das beste Beispiel für das
Funktionieren dieser Mimikry!
Dass diese gestreiften Heuschrecken nicht sofort die Flucht
ergriffen, als die Fotosession über sie erging, hatten wir
wahrscheinlich nur den noch nicht ausgebildeten Flügeln zu
verdanken...
An den Tagen danach fanden wir in der Natur viele weitere schöne
Fotomotive und unsere Speicherkarten füllten sich langsam.
Im Nationalpark Santa Elena hatten wir sogar das große Glück den
sagenumwobenen Quetzal zu sehen!
Was uns dagegen nicht vor die Linse kam, waren Wespen. Sie waren im
Regenwald genauso unsichtbar wie die vielen anderen Tiere, die für die
Geräuschkulisse sorgten.
Aber warum in die Ferne schweifen – das Gute ist doch oft so nah!
Nach einem Tag im Regenwald wieder im Hotel angekommen, entdeckten wir
auf unserem nicht unbedingt einladenden Balkon Wespen beim Bau eines
Nestes. Mal wieder an einem recht hässlichen Ort! Vielleicht waren es ja
diesmal besonders günstige Konditionen für die Hotelunterkunft, die die
Wespen hier zum Nestbau verleitet hatten ...
Wir fragten uns allmählich:
Wo haben solche Wespen eigentlich gebaut, bevor es Toilettengebäude,
ungemütliche Hotels oder viel begangene Wege gab ???
Nun, wenn es costaricanische Wespen nicht nötig haben, sich an
schönen, naturnahen Orten fotografieren zu lassen, dann
konzentrieren wir uns eben auf andere Motive! Zum Beispiel auf
Vogelnester ...
Bei genauerer Betrachtung eines dieser Vogelnester, auf dem Display des
Fotoapparates wurden auf einmal die Bewohner des Nestes sichtbar und die
sahen gar nicht wie Vögel aus, auch wenn durch die Öffnung des Nestes
locker ein kleiner Vogel gepasst hätte ...
Die ersten Wespen im Regenwald!
Es gab also doch ein paar Naturliebhaber unter ihnen! Das machte uns
wieder Hoffnung.
Unsere Rundreise durch das Land führte uns weiter an die
Pazifikküste.
Auf der mehrstündigen Fahrt im überfüllten Bus fielen uns seltsame
Gebilde an den Bäumen auf, die häufiger wurden, je mehr wir uns der
Küste näherten. Waren es Wespennester? Nein, es waren
Termitenbehausungen. Aber es gab auch einige wenige Bäume, die nicht von
Termiten, sondern doch von Wespen bewohnt waren. Ein solcher Baum stand
am Rande des Carrera-Nationalparks. Allerdings war das Wespennest so
hoch gebaut, dass eine genauere Betrachtung unmöglich war. Die Stacheln
des Mimosen-Baumes, an den es geheftet war, schützten es sicher vor
unerwünschten Zugriffen, z.B. vor "Wespen-Paparazzi" ...
Wir wohnten in einem schönen Hotel direkt an der Pazifikküste.
Die umgebenden Häuser hatten, wie in Costa Rica üblich, Blechdächer und
über den Blechdächern bildeten große Mangobäume einen grünen
Sonnenschutz.
Die Mangos waren gerade reif und donnerten, dank ihres Gewichts und dem
Newtonschen Gravitationsgesetz, mit lautem Schlag auf die weit darunter
liegenden Blechdächer. Und das, so schien es uns jedenfalls, vor allem
in der Nacht ...
Der Boden war jeden Morgen übersät mit zuckersüßen Mangos.
An den reifen Früchten labten sich nicht nur rote Aras und Touristen
sondern auch Wespen. Na ja, eine wenigstens ... Mehr sahen wir nicht,
weil jeden Morgen alle Mangos einfach zur Seite gekehrt und entsorgt
wurden.
Also endlich mal eine Wespe nach unseren Vorstellungen! Mit derselben
Vorliebe für reife süße Früchte, wie wir sie auch haben! Offensichtlich
sind die Wespen an der sonnenverwöhnten Pazifikküste einfach
anspruchsvoller.
Diese Vermutung "bestätigte" sich noch am selben Tag durch den Fund
eines Wespennestes an einem Ort mit reichlich süßen Leckerbissen:
Zwischen meterhohen Bananenpflanzen mit reifen Früchten war es an ein
großes Bananenblatt geheftet. Auch diesmal war das Nest wieder sehr hoch
angebracht, zu hoch selbst für groß gewachsene Mitteleuropäer. Diese
standen mit gierigen Blicken unten und kamen weder an das Nest noch an
die Bananen.
Ende gut - alles gut.
Zurück im Valle Central wurden wir, fast zum Schluss unseres
Urlaubes, schließlich mit dem Anblick eines Wespennestes belohnt,
das alles zu bieten hatte, was unser Herz begehrte: Das Nest war
inmitten von Natur auf einer Wiese, es barg reichlich Bewohner(innen)
und es war in fotografierbarer Höhe, nämlich direkt auf dem Boden an
einem Ästchen gebaut. Und es waren Wespen mit einer beneidenswerten
Figur! Und nicht nur das. Diese Feldwespenart ließ außerdem die
Fotoaufnahmen äußerst friedlich und gelassen über sich ergehen.
Damit endet meine Wespengeschichte. Und auch unser Urlaub endete leider!
Eines haben wir in Costa Rica jedoch gelernt: Häufig trügt der Schein!
Fliegen entpuppten sich als Wespen, Wespen dagegen als Heuschrecken und
Vogel- als Wespennester...
Übrigens erfüllte sich meine Hoffnung auf eine Wespentaille nicht!
Die doch sehr fettigen und süßen Speisen sowie die Gastfreundschaft in
Costa Rica bewirkten genau das Gegenteil.
Ja, so ist das Leben! - ¡Así es la vida!
Silke Scheller, Januar 2014
Fotoaufnahmen:
Silke Scheller und Stefan Wirrer, April-Mai 2013
Silke Scheller und Stefan Wirrer © 2014
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